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Deep Shit

I’ll be there for you

Manchmal ist das Leben wie eine Serie. Und machmal geben einem Serien ein Gefühl von Geborgenheit, das man gerne für immer konservieren möchte. Doch alles geht zu Ende, auch die schönste Episode. Was bleibt, ist die Erinnerung, ein bisschen Wehmut und die Hoffnung, irgendwann das zu finden, was man Zuhause nennen kann. 

Vor ein paar Wochen sitze ich mit Juli bei Tines Geburtstag im Wohnzimmer und sehe, dass sie Staffeln von Friends auf DVD hat. Ich kenne wirklich viele Menschen in meinem Umfeld, die die Serie mögen. Juli so: „Mit Sitcoms konnte ich ja nie was anfangen.“ Ich so: „Ich auch nicht, außer mit Friends, darüber habe ich sogar meine Magisterarbeit geschrieben.“

Ja, es ist wahr. Ich habe mich am Ende des Studiums ein halbes Jahr hingesetzt und etliche Stunden Friends geschaut. Immer und immer wieder. Mal mit Freunden, mal alleine. Aber die Serie blieb die absolute Ausnahme… Seinfeld, Roseanne, Full House, alles Klassiker der Sitcom-Geschichte, die mich nie wirklich berührt haben. Nach dem Ende von Friends im Jahr 2004 kam mir tatsächlich nie wieder eine Sitcom ins Haus. Woher meine Liebe zu der Serie um die Freundschaft von Ross, Rachel, Monica, Chandler, Phoebe und Joey rührt, weiß ich daher selbst nicht so genau. Ich weiß nur, ich bin kein Sitcom-Typ. Die meisten gehen mir sogar mit den eingespielten Lachern ziemlich auf die Nerven.

Vielleicht ist es weniger das Format der Sitcom, das mich fasziniert. Ich habe damals  – natürlich höchst wissenschaftlich – die Serie auf Formen der Redundanz und Variation untersucht. 149 Seiten sind so zusammengekommen. Die Love-Story von Rachel und Ross ist immer wieder Thema. Doch das kann meine Liebe zu dieser Serie kaum erklären. Vielleicht ist es etwas ganz anderes. Denn Friends ist für mich eine sehr emotionale Sache. Lasst mich das kurz ausführlich erläutern.

Mein Leben in Franken

Bevor ich ins Ruhrgebiet kam, habe ich Medienwissenschaften in Erlangen bei Nürnberg studiert. Das erste Mal so richtig weit weg von Zuhause, eigene WG, fremde Stadt, ein ganz neues Leben damals mit 19 Jahren. Ich habe das sehr genossen, war aber auch extrem unsicher. Hallo große, unbekannte Welt. Damals gab es kein Social Media und alles im Internet war noch gar nicht so voller Lebenserfahrung, wie es das heute ist. Ich hatte auch noch nicht so viel von der Welt gesehen. Ich war ein bisschen lost in Franken. Meine alte Heimat mit Freunden und Familie war mehr als 400 Kilometer weit weg. Mal eben da vorbeifahren, war nicht drin.

Also machte ich mich auf, Freunde zu finden. Menschen, die auf meiner Wellenlänge sind. Im Studium ist das eine ziemlich einfache Sache. Vor allem, wenn man einen kleinen Studiengang auswählt. Ich habe das studiert, was mich interessiert, nämlich „irgendwas mit Medien“, oder wie es dort offiziell hieß „Theater- und Medienwissenschaften“. Das studierten damals wenn es hoch kommt vielleicht insgesamt 600 Leute. Unter denen waren eine Menge, die mir sympathisch waren: ein wenig durchgeknallt, mit dem Hang zum Drama und recht extrovertiert. Genau mein Ding, unter ihnen fühlte ich mich wohl.

Bevor ihr euch jetzt fragt, wann kommt denn endlich der Dreh zu Friends?! Geduld, Gelduld, ich bin gleich soweit. Was ich sagen möchte: Ich war damals allein in einer fremden Stadt und gezwungen, auf Menschen zu zu gehen, um nicht nach der Vorlesung einsam in meinem kleinen Zimmerchen zu sitzen. Und da der NC für dieses Fach recht hoch war, kamen aus ganz Deutschland Menschen nach Erlangen, denen es ähnlich ging. Fremde Stadt, fremder Dialekt, komische Worte für Brötchen (Schrippen, Semmeln, Weggla) und viel Zeit neben dem Studium, sich ins Leben zu stürzen.

Monicas Appartement = meine WG, na ja, fast

Ich wohnte damals in einer 2er WG, die direkt neben der Uni lag. Eine ziemlich skurril geschnittene Wohnung war das. Zum Beispiel hatte das Wohnzimmer kein Fenster. Es gab keinen Flur, man gelangte immer übergangslos von Zimmer zu Zimmer und im Wohnzimmer war eine Außen-Kunststofftür mit Riffelglas, die nicht zum Balkon, sondern ins Bad führte. Die Küche war ein langer Schlauch, die Außentür wiederum eine einfache Zimmertür mit normalen Griffen auf beiden Seiten. Man konnte also jederzeit einfach eintreten, wenn sie nicht abgeschlossen war. Und jetzt komme ich endlich zurück zur Serie Friends. Erinnert ihr euch? Monica wohnt dort in einem Appartement, in dem die sechs Freunde alle wie selbstverständlich ein- und ausgehen. Zugegeben, das Appartement ist sehr viel schöner und größer als meine olle Studi-WG, aber dort war es genauso.

Wir hatten die Außentür nie abgeschlossen. Am Anfang war das komisch, aber ich habe es total genossen, wenn ich zu Hause war und plötzlich eine gute Freundin bei mir in der Küche stand. Die offene Tür war für mich ein so schönes Symbol meines neuen Studentenlebens. Meine Wohnung als ein Heim für alle, die mal kurz auf einen Kaffee vorbeikommen wollten, die Zeit bis zur nächsten Vorlesung überbrücken oder sich auch alleine in der fremden Stadt fühlten.

I’ll be there for you
(When the rain starts to pour)
I’ll be there for you
(Like I’ve been there before)
I’ll be there for you
(‚Cause you’re there for me too)

Kurz, meine damaligen Freunde und ich hatten uns mit dieser Wohnung einen Rückzugsort geschaffen. Ein gemeinsames, neues Zuhause. Genau die gleiche Funktion hat Monicas Appartement in Friends. Und so wie in der Serie, sah auch mein Freundeskreis aus. Wir waren zwar nur fünf statt sechs Leute, aber hingen unglaublich viel zusammen rum, kochten gemeinsam, betranken uns, guckten Quatsch im Fernsehen, gingen ins Theater… Wir haben auch ganz oft dort in dieser kleinen Bude zusammen übernachtet. Meine damalige Clique war so viel mehr für mich als bloß ein paar Freunde. Sie waren Ersatzfamilie und Beschützer, sie haben mich motiviert und waren für mich damals der Sinn des Lebens. Das hört sich bekloppt an, aber das Studium konnte es nicht sein, die miesen Jobaussichten auch nicht. Ich suchte das Glück und die Bestätigung bei meinen Leuten, die mich durchs Studium getragen haben. Ganz ehrlich, ohne die Menschen hätte ich das niemals bis zum Ende durchgezogen.

Und am Ende bleibt nur die Erinnerung

Jeder, der Friends kennt, braucht jetzt die Erläuterungen gar nicht, wo es da Parallelen zu dem gibt, was ich in meiner Studienzeit erfahren habe. Es ist einfach ein Gefühl der Geborgenheit, die die Serie ausstrahlt und eben auch für mich zu mehr macht. Und jeder, der das Ende der Serie kennt, kann jetzt rückschließen, wie es mit mir und meinem Freundeskreis enden musste. Die Wohnung gibt es nicht mehr. Mein Vermieter starb kurze Zeit nach meinem Auszug und vermachte das Haus seinen Kindern. Die haben dann rumgerechnet und festgestellt, dass eine Sanierung teurer ist als es abreißen zu lassen. Das Haus wich einem Neubau.

Neulich besuchte ich eine gute Freundin, die zu Studenten-Zeiten Teil dieser Clique war. Sie hat ein echt schönes Leben, ist angekommen im Job und macht oft nur das, was ihr gut tut. Doch das Gefühl, das wir in unserer Gemeinschaft damals hatten, ja, das vermisst auch sie manchmal noch.

Und so bleibt bei mir die Frage, ob nicht die Serie Friends auch Jahrzehnte nach der letzten Folge ein Sehnsuchtsgefühl nach dieser Geborgenheit auslöst, die sich vermutlich nie wieder finden lässt.

P.S.: Nur einen Unterschied gab es zu unserer WG. Einen Ugly Naked Guy hatten wir (zum Glück) nicht als Nachbarn…

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6 Comments

  • Reply Haydee

    Ich war schon immer mehr der Fantasy und Science Fiction Serien Mensch – mit Ausnahmen. Aber Frieds habe ich auch ganz gerne geguckt. Könnte ich eigentlich mal wieder machen….
    Hier wars ähnlich. Wenn auch nicht zu Studienzeiten sondern später. Als Hausgemeinschaft. Selbst so ein Cafe gabs, nämlich das Orlando im Ehrenfeld. Da war da noch richtig was los, egal wann man hinging, man traf immer jemand. Das ganze Viertel war damals ziemlich, sagen wir mal, rosa. Mit Coxx und Freibad. Ich erinnere mich, wie wir Donnerstags bei Käsekuchen im Coxx die Golden Girls guckten und ich mich nicht darum kümmerte, dass ich am nächsten Tag um 7 Uhr auf der Arbeit sein musste, gg… Ach ja.. gute alte Zeit! (ich muss mal wieder zur boys nach Langendreer, echt..).
    LG

    18. September 2017 at 11:56
    • Reply Julius

      Oh, ich hörte nur davon. Als ich nach Bochum kam, gab es die Läden schon teilweise gar ncht mehr. Hätte ich sehr gerne miterlebt 🙂

      18. September 2017 at 12:07
  • Reply Anna

    Sehr, sehr schön geschrieben! Ich habe die Serie auch mehrfach durchgeschaut und kenne dieses „Zuhause“-Gefühl beim Zusehen.

    18. September 2017 at 17:24
  • Reply Verena

    Miss u :*

    19. September 2017 at 20:08
    • Reply Julius

      Immer wenn ich Spaghetti Bolognese mache, denke ich an dich. weiß gar nicht warum, aber das hat sich sehr festgesetzt. :-*

      19. September 2017 at 20:23
  • Reply Sven

    Sehr schön geschrieben ?

    19. September 2017 at 21:42
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